

Carolin Pauly hat eine Mission. Als Geschäftsführerin des Instituts für Universal Design möchte sie eine Welt für alle schaffen, eine, in der Menschen selbstverständlich zusammenfinden, gleich welcher Herkunft, ob sie alt sind oder jung, vermögend oder arm. Einen Schlüssel dafür bietet Gestaltung. „Wir brauchen Räume, in denen sich Menschen wohlfühlen, und Dinge, die ganz leicht und selbstverständlich zu nutzen sind.“ Pauly sieht ihre Aufgabe darin, Designerinnen und Designer sowie Unternehmen bei dieser Reise zu unterstützen. „Wir promoten sie, bieten eine Plattform und schaffen Aufmerksamkeit.“ Das geschieht durch Ausstellungen, Wettbewerbe und Workshops.
Das Institut für Universal Design arbeitet schon lange mit gemeinnützigen Einrichtungen zusammen, etwa der Diakonie und der Lebenshilfe. Doch die wüssten ja schon alles und seien täglich mit Inklusion und ihren Fallstricken beschäftigt.
„Aber viele Unternehmen fangen erst jetzt an, darüber nachzudenken“, sagt die Geschäftsführerin und verweist auf den Fachkräftemangel: „Was machen sie, wenn Wunschkandidat:innen aus dem ersten Arbeitsmarkt fehlen? Und wie sieht es mit dem Onboarding aus, wenn auf einmal die Hälfte der Belegschaft aus anderen Kulturkreisen kommt?“
Dann zählen Einfachheit und intuitive, klare Abläufe. Insgesamt verschiebt sich die Gestaltung, weg von spitzen Zielgruppen, hin zu breiter Nutzbarkeit. Partizipation muss von Unternehmen, Designerinnen und Designern stärker genutzt und in den Blick genommen werden. „Viele meinen, sie hätten es bedacht, aber in der Tiefe bleibt vieles offen.“ Da geht es um pragmatische, ganz alltägliche Dinge wie die Gestaltung eines Platzes in einem multikulturellen Viertel mit Bürger:innenbeteiligung.

Wieso aber spielt die deutsche Industrie, die ja immerhin Exportweltmeister war, den Faktor Diversity nicht offensiver? Für Pauly ist dafür „der Druck einfach noch nicht groß genug. Dabei gibt es gerade in der Arbeitswelt viele Initiativen, die das in den Fokus rücken.“
Universal Design hieß lange Zeit verklausuliert: Gestalten für die Alten. „Wir wollen das Thema aber rausholen aus der Nische“, verspricht Pauly. Raus auch aus dem Dunstkreis von Pflege und Kompensation. „Alt, krank und behindert“ war gestern. Universal Design heißt, ganze Lebenswelten und Services für die Vielfalt der Gesellschaft zu entwickeln. Die Geschäftsführerin sieht Gestaltung ganzheitlich, schließlich ist „unsere Gesellschaft auch total breit, mit Alt und Jung, mit Einschränkungen oder ohne, und mit ganz verschiedenen kulturellen Hintergründen.“ Universal Design schaffe Zugänge und mache Dinge einfacher. Ihr Lieblingsbeispiel ist ein Behördengang mit unverständlichen Wegweisern und Vorschriften. Alle könnten dort „richtig Zeit sparen, wenn Beschilderungen und Formulare so gemacht wären, dass sie intuitiv und einfach zu verstehen sind“. Das Prinzip reicht tief in den Alltag.
„Dinge müssen einfach zu bedienen sein, damit wir sie gerne verwenden. Ein gut gestalteter Klappstuhl ließe sich sogar in der Dusche nutzen, um einem Kind die Füße zu waschen, die eigenen Beine zu rasieren oder als ältere Dame oder Herr darauf zu sitzen – und vieles mehr“, sagt Pauly.

Barrierefreiheit dient also nicht nur mobilitätseingeschränkten Menschen, sondern hilft allen, ob sie nun mit Brille, Hörgerät oder Buggy unterwegs sind. Genauso erschöpft sich Barrierefreiheit nicht in Regularien wie der DIN 18040 oder in sichtbaren Rampen oder Aufzügen, sondern betrifft Einstellungsfragen: Wollen wir eine Welt für alle schaffen? Wie weit das geht, zeigt sich oft im Alltag, wenn etwas mal nicht passt. Ob der Weg zum Lift klar beschildert und leicht zu finden ist, hilft Familien mit Kinderwagen, Ski-Assen, die sich dummerweise mit einem Gipsfuß plagen müssen – und eben Seniorinnen und Senioren. Wir alle brauchen irgendwann in unserem Leben Hilfe, manche eben etwas mehr oder früher als andere. Tut sich denn gar nichts? „Doch“, meint Pauly. „Die Wiener Linien machen es großartig. Die Straßenbahnen haben sich Schritt für Schritt weiterentwickelt, bis hin zu Anzeigen, auf welcher Seite in der nächsten Station der Fahrstuhl liegt – rechts oder links. Das ist vorbildlich.“ Deshalb hält das Institut für Universal Design auch regelmäßig Workshops mit Studierenden ab, die ihre Umwelt erkunden und kritisch bewerten. Beispielsweise die Bushaltestelle und Behörden. Wie einfach ist das denn!
Längst geht es nicht mehr um Einzeldinge, sondern um das große Ganze. „Jede und jeder hat das Recht auf Teilhabe“, sagt die Geschäftsführerin, und da gebe es ganz verschiedene Lösungen. Hübsch gestaltete Dinge reichen dafür nicht mehr, es geht um Einstellungen und Selbstverständlichkeiten. Die letzten Barrieren liegen dabei in unseren Köpfen. Doch auch hier glaubt Pauly an ihre Mission. Schritt für Schritt gehe es voran. „Wie heißt es doch: Steter Tropfen höhlt den Stein. Wir bleiben auf jeden Fall dran.“ Denn es betrifft uns eben alle.

Der Beitrag zu Universal Design erscheint außerdem im mcbw magazine 2025.