


„Design for Democracy. Atmospheres for a better life“ – mit diesem Aufruf gewann die Region Frankfurt RheinMain den Titel der World Design Capital 2026 (WDC 2026). Sie übernimmt die prestigeträchtige Auszeichnung vom Duo San Diego und Tijuana. Doch wie kann eine Initiative, die von der öffentlichen Hand mit 15 Millionen Euro gefördert wird, die Gesellschaft nachhaltig verändern? Programmleiterin Barbara Lersch sieht darin eine große Chance: „Wir wollen nicht nur über Demokratie sprechen, sondern sie leben.“ Die Idee, unser Zusammenleben mit den Mitteln des Designs zu stärken, mag auf den ersten Blick ungewöhnlich erscheinen. Doch Lersch macht klar: „Design bedeutet heute nicht mehr nur, schöne Produkte zu schaffen, sondern ganze Systeme zu überdenken.“ Und Menschen zusammenzubringen. Design setzt im Alltag an.
Von unten nach oben: die Kraft kleiner Ideen
In der Region Frankfurt RheinMain hilft dieser erweiterte Designbegriff gerade, Räume und Prozesse neu zu denken. Im Zentrum stehen die Menschen, die hier leben. Sie sollen sich einbringen, sich vernetzen, voneinander lernen und zusammen mehr bewirken. Konsequent setzt die WDC 2026 auf Gespräch und Miteinander. Das 20-köpfige Team versteht sich als Plattform, die Ideen von unten bündelt und verstärkt. In einem Open Call konnten Bürger:innen erste Ideen und Projekte einreichen. Die Resonanz war überwältigend: Über 1000 Vorschläge kamen zusammen – von Nachbarschaftsinitiativen bis zu Konzepten für öffentliche Plätze. „Besonders begeistert war ich von den kleinen Ideen. Es tut gut zu sehen, wie viele zivilgesellschaftliche Organisationen und lokale Gruppen wir erreicht haben“, berichtet Lersch. Gute Ideen sind der Anfang. „Die Leute brauchen nur etwas Geld. Sie sind voller Tatendrang.“ So gesehen, ist die Rolle der WDC 2026 die einer Verstärkerin. Dabei geht es ebenso sehr darum, gute Ideen herauszufiltern wie ihnen später Gehör zu verschaffen. „Kritiker:innen sind oft laut“, sagt Lersch. „Deshalb brauchen diejenigen, die unsere Gesellschaft aktiv mitgestalten, Verstärkung.“ Sie will die leise Mehrheit hörbar machen – Menschen, die im Kleinen Großes bewirken. „Der Klebstoff dieses Hauses sind die Akteur:innen, die sich miteinander vernetzen.“ Die große Hoffnung: langfristig eine neue Kultur des Miteinanders anzustoßen. „Es ist schon alles da. Wir müssen manches nur sichtbarer machen.“
„Wir können nur ein erstes Gerüst bilden, wie beim Hausbau“, sagt Kulturmanagerin Lersch. Dieses müsse irgendwann abgebaut werden, „aber das Haus selbst – die vielen Netzwerke und Initiativen – bleiben“. Genau darin liegt die Stärke der Initiative, die Stadt und Land gleichermaßen bespielt: Kooperation über den Tag hinaus.
Die weit über 400 Veranstaltungen der WDC 2026 reichen von Workshops und Ausstellungen bis zu einem großen Street Festival, das die gesamte Region bereist. Dazu setzt das Programm auf inhaltliche Tiefe: Zwei Konferenzen werden den Zusammenhang zwischen Design und Demokratie vertiefen. Weniger politische Theorie, sondern vielmehr konkrete Ansätze, durch Haltung unsere Lebensräume und unsere Demokratie fit zu machen für die Herausforderungen der Zukunft.




Einladung an alle
„Designing for Democracy kommt zur rechten Zeit“, betont Lersch. In einer Phase wachsender Polarisierung baut die WDC 2026 Brücken. „Ich will Räume öffnen für Begegnung und Beteiligung.“ Die World Design Capital 2026 ist daher mehr als die Summe ihrer Veranstaltungen – sie ist eine Einladung, gemeinsam den Kiez, die Stadt, die Gemeinschaft zu gestalten. Mit ihrem Konzept der „Atmospheres for a better life“ trifft die WDC 2026 ein großes gesellschaftliches Bedürfnis, wie die überwältigende Resonanz auf den ersten Open Call zeigt: Es mangelt nicht an Ideen und Engagement in der Region. Wenn es der WDC 2026 gelingt, diese Energie zu bündeln und zu verstärken, könnte 2026 tatsächlich mehr entstehen als ein temporäres Kulturfestival: ein lebendiges Labor für die Demokratie von morgen, dessen Ergebnisse weit über das Designjahr hinauswirken. Es stimmt schon: Die Zukunft gehört denen, die sie gestalten. Höchste Zeit, damit zu beginnen.
Der Beitrag zu WDC erscheint außerdem im mcbw magazine 2025.