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ZUKÜNFTE GESTALTEN

 

Die Fakultät für Design der Hochschule München setzt auf Designforschung und gestaltet das Miteinander von Mensch und Natur.

HOCHSCHULE MÜNCHEN FAKULTÄT FÜR DESIGN

Lebendiger Denkraum: Designkulturen Institut gegründet

Kulturelle Muster für soziale Innovationen: Das erforscht das neue Designkulturen Institut für Angewandte Designforschung der Hochschule München.

 

Designforschung hat in den vergangenen Jahren an Fahrt gewonnen. Ganz vorne dabei in Bayern ist die Fakultät für Design der Hochschule München. Was aber untersucht das im Rahmen der Hightech-Agenda mit Unterstützungsmitteln des Bayerischen Landtags geförderte „Designkulturen Institut für Angewandte Designforschung (dci)“ genau? „Unser großes Thema sind kulturelle Muster“, sagt Institutsleiter Prof. Markus Frenzl. „Wir erforschen Wahrnehmungs-, Wissens-, Handlungs-, Innovations- oder Unternehmenskulturen durch Design und entwickeln daraus Impulse vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Transformation.“ Das Spektrum ist bewusst breit angelegt. Gleichermaßen richtet sich der Blick auf den Wandel von Umwelt, Wirtschaft wie Gesellschaft. Da Design unser ganzes Leben durchdringt, wird auch das neue Institut in umfassender Weise aktiv.

Markus Frenzl begreift Design als „identitäts- und kulturstiftende Praxis mit eigener Wissens- und Forschungskultur“. Und da sich Kultur nicht verordnen lasse, betreibt das Institut auch selbst keinen Kulturwandel, sondern konzentriert sich auf die Phänomene ebendieser Veränderung, auf jene kulturellen Muster, die weiterentwickelt werden, um sie „kulturell anschlussfähig zu machen und so zu neuen Lebensweisen, Fertigungstechniken und Wegen der Verständigung zu führen“.

Den Anfang machen drei Forschungsschwerpunkte: Das Themenfeld „Partizipation, Co-Kreation und Futures Literacy im Kontext gesellschaftlicher Transformation“ knüpft beispielsweise an ein Masterprojekt an, in dessen Rahmen Forschungsimpulse für das HM: UniverCity-Projekt „Creating NEBourhoods Together“ erarbeitet wurden. Dafür fragten Masterstudierende Neuperlacher:innen nach ihren Wünschen und Lebensbedingungen. Das Ziel: Wie lassen sich „gemeinsam schöne, umweltgerechte und zukunftsfähige Nachbarschaften gestalten“?

Der Forschungsschwerpunkt „LESS – Prinzipien, Potenziale und Probleme des Produktverzichts“ geht der Frage nach, welche Rolle Suffizienz für Architektur und Design spielen kann. „Potenziale bayerischer Handwerkskulturen“ schließlich will aussterbende Handwerkstechniken, Material- und Verarbeitungskompetenzen erforschen: Alte Techniken und Traditionen bergen womöglich Antworten für morgen, da sie immer schon auf Kreislaufwirtschaft setzten. So öffnen sich aus der Geschichte und dem Selbstverständnis Bayerns frische Perspektiven für künftige Produkte, Unternehmen und Dienstleistungen.

In der undogmatischen, direkten Art Menschen einzubinden und mit Firmen, Gründer:innen und Institutionen zu sprechen, liegt großes Potenzial – nicht nur für die Designforschung selbst.

Ausgehend von vertrauten kulturellen Mustern liefert das Designkulturen Institut so „Impulse für soziale, ökologische, technologische oder unternehmerische Zukünfte“. Neben Prof. Markus Frenzl gehören Prof. Dr. Eileen Mandir, HTA-Professorin für Systemisches Design im Kontext von sozialem Wandel und transformativen Prozessen, und zwei wissenschaftliche Mitarbeiterinnen zum Kernteam. Der Anspruch ist hoch: „Wir wollen einen lebendigen Denkraum für die diskursive Praxis an der Fakultät für Design der Hochschule München bieten“, sagt Markus Frenzl. Die Hochschule München stärkt damit nicht nur ihre Designforschung. Sie öffnet Raum für etwas, das Design schon immer eigen war: die Fähigkeit, Zukunftsperspektiven aufzuzeigen.

Design für den Planeten

Wie gestaltet es sich in Zeiten schwindender Ressourcen und steigender Temperaturen? Ein Seminar der Hochschule München will es genauer wissen.

„Wir sind längst im Anthropozän angekommen – dem Erdzeitalter, in dem der Mensch die Veränderungen auf unserem Planeten maßgeblich beeinflusst und durch sein Handeln die Erde formt“, erklären Matthias Edler-Golla und Florian Petri. Die Professoren unterrichten an der Hochschule München, der eine als Spezialist für Interaction Design und Nachhaltigkeit, der andere mit dem Blick eines technischen Industriedesigners. Beide bieten seit Jahren Projekte an mit einem Fokus auf Nachhaltigkeit. Es ist nicht ihr erster gemeinsamer Kurs, vielleicht aber ihr wichtigster. „Next Nature Design“ fragt nach dem großen Ganzen: Wie lässt es sich im Anthropozän sinnvoll gestalten? Ja, dürfen wir überhaupt noch weiter produzieren wie bisher? Das Seminar und die anschließende Ausstellung beschäftigen sich mit Nachhaltigkeit in allen ihren Facetten. Keine Frage ist zu verrückt, kein Projekt zu abwegig.

Edler-Golla und Petri fordern die Teilnehmer:innen auf, die Denkweisedes Human-centered Design zu erweitern. Es geht um „Planet-centered Design. Dies verlangt von uns neue Denkweisen, neue Kooperationen, die Bereitschaft, co-kreativ mit anderen Lebewesen zusammenzuarbeiten und den Mut, Kultur, Technik und Natur zu vereinen.“ Größer geht es wirklich nicht mehr. Daher schwören die Professoren auf den direkten Austausch im Seminar. Zunächst aber müssen die Studierenden selbst Expert:innen werden. Jedes Team untersucht unterschiedliche Fragen. Die 30 Fotograf:innen und Produktdesigner:innen, Grafikdesigner:innen und Interactiondesigner:innen arbeiten, diskutieren und gestalten zusammen.

„WIR LIEFERN DENKANSTÖSSE IN EINER SICH RASANT ÄNDERNDEN WELT.“

Das Seminar soll Denkräume jenseits des Kommerzes öffnen. „Wir sind schließlich keine Agentur“, sagt Matthias Edler-Golla, „und auch keine verlängerte Werkbank der Industrie. Wir liefern Denkanstöße in einer sich rasant ändernden Welt.“ Genau das ist eine Aufgabe künftiger Designer:innen: Projekte richtig einzuschätzen und notfalls auch abzulehnen, auf Menschen zuzugehen und Prozesse sinnvoll zu gestalten. Matthias Edler- Golla und Florian Petri wissen: Es gibt nicht die eine richtige Lösung, eher ein Netz von Impulsen, die sich wechselseitig verstärken. So öffnen sich viele Wege. Selbst Nicht-Wissen kann eine Stärke werden, wenn frau/man sie zum Anlass für Fragen nimmt.

„Co-Habitation“ heißt das neue Miteinander von Menschen und Natur. Am Ende stehen „nur positive Visionen“. Was ziemlich weltfern, ja naiv klingt, hat Methode. Dystopien könne jeder schreiben. Was es jetzt brauche, seien neue Wege, entgegnen die Professoren. Statt perfekten Produkten, die es ohnehin nie gebe, suchen sie nach so etwas wie perfekten Prototypen, die sich erst im Gebrauch mit echten Menschen und der sie umgebenden Natur vervollständigten. Plötzlich gibt es Platz für neue Berufe, eine:n Design-Schreiner: in etwa, mit denen die Nutzer:innen verschiedene Varianten ausprobieren. Die Rolle der Gestaltenden ist gerade im Fluss. In der Moderne kannten sie vor allem eine Pose: Sie waren Hero:innen des Fortschritts, und manche schufen immer schnittigere Varianten des Morgen, mitunter sogar pfeilschnelle Bleistiftspitzer. Styling allein aber ist nicht Sache ernsthafter Gestalterinnen und Gestalter. Sie wollen mehr. Sie wollen innerhalb ihrer Fähigkeiten die Welt verbessern, zumindest aber erhalten. Damit das Erdzeitalter des Menschen nicht gleich sein Endzeitalter wird.