WENN DAS PAPIER NACH SCHOKOLADE DUFTET

– GMUND PAPIER

Das Greenfibra Labs, Teil der Papierfabrik Gmund, entwickelt besondere Papiere für Kund:innen. Das ist besonders nachhaltig.

Papier ist nicht nur geduldig, Papier ist längst Hightech. Grünes Hightech, das nachwachsende Rohstoffe zu immer neuen, immer überraschenderen Kombinationen verbindet. Plötzlich duftet Papier nach Kakao oder Tee und die Fingerkuppen fahren über Einsprengsel und Erhebungen, Papier ist essbar und voller Blüten, und Etiketten sind aus besonderem Graspapier. Der Ort, an dem diese neue Papierwelt Gestalt annimmt, nennt sich Greenfibra Labs, Teil der Papierfabrik Gmund. Projektleiterin Dr. Katrin Kloth-Everding entwickelt im Auftrag besondere Papiere. Das ist besonders nachhaltig. Und besonders vielseitig: „Wir fertigen ständig neue Produkte für Kund:innen, alternative Papiere. Das ist herausfordernd und spannend.“ Kein Wunder, schließlich hat die promovierte Chemikerin den vielleicht aufregendsten Beruf der Papierbranche: Sie ist Forscherin, Gestalterin und Entdeckerin in einer Person. Zusammen mit ihren Kolleg:innen im Labor und der Produktion von Gmund beschreitet sie Neuland. Gleich ob es um schnell wachsende Einjahrespflanzen wie Hanf oder um Produktionsabfälle geht, stellt sie eine entscheidende Frage: „Wie können wir daraus Papiere machen für Kommunikation oder Verpackungen?“ Aktueller Liebling ist ein Schokoladenpapier, das sie hier bereits zum dritten Mal produzieren. Die ganze Herstellung riecht intensiv nach Schokolade, weil das Papier Produktionsreste enthält, kleine Einschlüsse von Kakaoschalen. Es ist eine wahre Kunst, aus den verschiedenen Zutaten das richtige Verhältnis für ein gutes Papier zu entwickeln. Der Clou in diesem Fall: recycelter Zellstoff, der etwas dunkler ist und so den Schokoladencharakter unterstreicht. Alles entsteht direkt mit Kund:innen, die ein spezielles Papier wünschen, einerseits, um wirklich alles auszuloten, was überhaupt geht, andererseits, um zusammen noch nachhaltiger zu werden. Denn die Kund:innen beauftragen nicht einfach ein Sonderpapier, sie müssen auch dafür sorgen, dass die Grundlage – in diesem Fall: Reste der Schokoladenproduktion – in ausreichender Menge beim Traditionshersteller Gmund Papier am Tegernsee landet. Aus scheinbarem Abfall entstehen nun erlesene Verpackungen und Papiere. Nachhaltiger geht es kaum mehr.

Gewänder aus Papier

Kaffee, Schokolade, Kräuter, Gewürze und Tees sind gerade angesagt, und bei Greenfibra Labs entsteht das passende Gewand aus Papier. „Ich sehe keine Grenzen, das Feld ist riesig“, sagt Kloth-Everding und erinnert an Kosmetik, die ja auch aus Pflanzen oder Blüten besteht und geradezu prädestiniert ist für besondere Verpackungen. Nase, Augen und Fingerkuppen springen sofort darauf an. Diese Papiere sind pure Emotion, sie vermitteln sinnliche Werte. Und jeder spürt sofort, dass hier viel Wert gelegt wurde auf Material und Gestaltung. Umweltschutz in seiner schönsten Form.

Es ist ja nicht so, dass Gmund seinen Kund:innen keine Wahl lassen würde. Allein im Standardsortiment gibt es über 100.000 verschiedene Varianten für Papiere, eine jeweils besondere Mischung aus Farbe, Grammatur und Oberflächenbeschaffenheit.

 

Verschiedene Faserproben im Labor 

In der Regel kommen ein bis zwei neue Kollektionen pro Jahr heraus, die alle dem Nachhaltigkeitsgedanken verpflichtet sind, FSC-zertifiziert und nachhaltig produziert. Mit der Gmund Bio Cycle-Kollektion gelang es, die Hälfte des Holzzellstoffes zu ersetzen, zum Teil mit Blattgrün, also Chlorophyll oder Stroh, oder auch mit Hanf. Immer mehr Kollektionen sind Cradle-to-Cradle-zertifiziert. Der Aufwand lohnt sich. Denn Kund:innen verlangen Umweltzertifikate und -siegel und fragen nach, ob auch in Deutschland produziert wird. Ein Umdenken hat begonnen. Aber Nachhaltigkeit ist nichts, was einmal zum Stillstand kommen würde.

Immer wieder finden sich Stellschrauben und Verbesserungsmöglichkeiten. Auch bei Gmund Papier. Die zugekaufte Energie stammt zu 100 Prozent aus Wasserkraft. Dazu kommen eigene Solarpanels und eine Ozonreinigungsanlage. Besonderes Augenmerk legt Gmund auf das Abwasser über die strengen gesetzlichen Bestimmungen hinaus. „Wir brauchen viel Wasser“, sagt Katrin Kloth-Everding. „Und wir wollen wenig Feinstoffe ins Abwasser geben, um es nicht zu verunreinigen.“ Jedes neue Papier entsteht in einem Abwägungsprozess. Hat es denn wirklich eine bessere Umweltverträglichkeit? Wo kommt der Faserstoff her? Wie müssen wir es verarbeiten? Welcher Energieaufwand ist nötig? Und wie ist die Recyclingfähigkeit dieses Papiers oder Stoffs

Fasermaterial für die Forschung

Grundlagenforschung inklusive

Rund zwei Wochen dauert die erste Begutachtung, da geht es neben Produktionsfragen auch um scheinbare Kleinigkeiten wie Trocknungs- und Zerkleinerungsprozesse. Ab zwei Tonnen können Kund:innen ohnehin ein individuelles Papier herstellen lassen. Vor allem nutzen das Unternehmen und punkten mit eigener Farbe und einer eigenen Oberfläche. Bei Greenfibra Labs kommen jeden Monat zwei, drei Produkte oder Materialien zur Laboranalyse hinzu. Ein aktuelles Forschungsthema sind Produkte aus Moorfasern wie unter anderem Schilf, die vor allem für dickeres Papier taugen, Wellpappe und Eierkartons zum Beispiel.

Kloth-Everding leistet Grundlagenforschung. Ihr geht es darum, grundsätzlich herauszufinden, welche Stoffe wie zu Papieren werden. Sie prüft Fasereigenschaften und stellt Papiermuster her, um ein Gefühl dafür zu erhalten, was überhaupt möglich ist. Am Anfang testet die Chemikerin mit allen Sinnen. „Ich nehme das Material in die Hand, schaue es mir an. Wie feinkörnig ist es? Ein feines Material wird auch ein feines Papier geben. Gibt es Einschlüsse?“ Dann schießt ihr durch den Kopf: „Wie kann ich es kombinieren, mit welcher Faser?“ Das gibt dem Papier Festigkeit. Und wenn alles optisch und haptisch passt, dann geht es so richtig los mit der angewandten Faserforschung.

 

MAMA, KANN MAN DARAUS AUCH PAPIER MACHEN?

 

Das Musterpapier muss mit der Produktion abgestimmt werden. Könnte es mit der Maschine Probleme geben? Und wie dürfte dann die Testproduktion aussehen? So viel Engagement steckt an: Inzwischen sammeln ihre Kinder Holzstiftreste beziehungsweise Abfälle vom Anspitzen oder kommen mit irgendwelchen Pflanzen aus dem Garten und fragen: „Mama, kann man daraus auch Papier machen?“ Ganz kleine Schritte aus unserem Alltag. Und doch ein deutlicher Schwenk zu mehr Nachhaltigkeit im Leben.

AUS SCHEINBAREM ABFALL ENTSTEHEN NUN ERLESENE VERPACKUNGEN UND PAPIERE.