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AKKUPUNKTUR NADELN & SCHMETTERLINGS FLÜGEL

 

Wie sich Immobilien beleben lassen und zum Startplatz für Kreative werden, erklärt Marco Eisenack, Agentur- inhaber der Munich Innovation Crew, Herausgeber des MUCBOOK und Gründer von MUCBOOK CLUBHAUS.

MUCBOOK

OLIVER HERWIG: Warum seid ihr Teil der mcbw?

MARCO EISENACK: Ich glaube fest an die Idee der mcbw, Kreativwirtschaft, Wirtschaft, Kreative und Unternehmen zusammenzubringen. München ist ein toller Standort mit einer starken Hochschullandschaft, Weltkonzernen und einer lebendigen Kreativwirtschaft. Wir wollen diese Welten besser verzahnen, weil in München jeder noch zu sehr in seiner jeweiligen Blase steckt.

 

OH: Das neue MUCBOOK CLUBHAUS in Giesing eröffnet diese Chance, es soll ein Ökosystem der Kreativen werden.

ME: Genau. Wir bieten das ganze Jahr über einen Nährboden für Innovation. So etwas muss wachsen. Menschen brauchen erstaunlich lange, um Vertrauen aufzubauen und in Bewegung zu kommen, damit wirklicher Austausch und gemeinsam Neues entsteht. Das war bei all unseren Häusern so. Erst nach einem Jahr kommen erste Kollaborationsideen in die Umsetzung.

 

OH: Wie sieht so eine Zusammenarbeit aus?

ME: Im Kickoff im Westend arbeitet beispielsweise ein 3D-Druck-Experte mit einer Künstlerin zusammen, die töpfert – gemeinsam haben sie eine Lampe entworfen. Kollaboration braucht nicht nur einen gemeinsamen Raum, sondern auch Zeit, das hätte ich mir viel einfacher und schneller vorgestellt. Man sieht, wir sind Teil der Natur, da schwingt viel Zwischenmenschliches mit. Und deshalb ist unsere große Vision, mit diesen Clubhäusern ein dauerhaftes Ökosystem zu schaffen.

OH: Das MUCBOOK CLUBHAUS im Westend ist nicht das erste …

ME: ... inzwischen haben wir die dreiundzwanzigste Zwischennutzung eröffnet – seit 2019. Die Idee entstand aus dem Stadtmagazin MUCBOOK heraus. Wir wollten die guten Geschichten über die Pioniere mit ihren Ideen dreidimensional erlebbar machen. So entstanden Räume für kreatives Arbeiten, inspirierenden Austausch und kulturelle Interventionen. Wir haben zwar wechselnde Standorte, aber der MUCBOOK-Kosmos bleibt bestehen und wächst.

 

OH: Sind die Clubhäuser so was wie Akupunkturnadeln im räumlichen Kontext der Stadt, dort gesetzt, wo sie etwas verändern sollen?

ME: Ein schönes Bild, weil wir natürlich im Verhältnis zur Stadt mikroskopische Größe haben. Aber wie man weiß, kann auch ein Schmetterlingsflügel große Dinge in Bewegung bringen: Wir möchten mit unseren Impulsen spannende Menschen zusammenbringen und die Stadt mit guten Ideen besser machen. Das ist ja auch unser Motto: „We make Munich a better place for good people.“

 

OH: Was bringt Menschen heute noch dazu, ins Büro zu gehen?

ME: Ganz klar: das Zusammentreffen mit anderen Menschen. Wir versuchen, Gemeinschaft zu fördern, indem wir Menschen zusammenbringen, die ähnliche Werte und Ziele haben.

 

OH: Was brauchen Kreative in diesem Ökosystem?

ME: In Kreativprozessen entstehen oft Selbstzweifel und Selbstkritik. Da braucht es jemanden, der/die Ideen spiegelt. Das Clubhaus bietet eine tolle Möglichkeit, sich gegenseitig über die Schulter zu blicken und sich auch mal an die Hand nehmen zu lassen. Im Grunde sind wir das wärmende Nest, aber auch der Raketen-Startplatz: Einerseits bieten wir einen geschützten Raum, wo Menschen Kraft tanken, andererseits bringen wir sie ins Licht der Öffentlichkeit, damit sie starten können. Quasi vom Start-up zum Scale-up.

 

IM GRUNDE SIND WIR DAS WÄRMENDE NEST, ABER AUCH DER RAKETEN-STARTPLATZ

 

OH: Es geht vor allem um den richtigen Rahmen.

ME: Genau. Das Problem in München ist, dass viele Büroflächen nur auf große Firmen ausgerichtet sind und sich bisher kaum ein Eigentümer kleinteilige Mieter ins Haus holen möchte, wie Start-ups, die keine Mietverträge unterzeichnen wollen, die sie zehn Jahre binden.

OH: Und die Lösung dafür?

ME: Das MUCBOOK CLUBHAUS schafft als Ankermieter einen inspirierenden Rahmen und kuratiert einen Mix aus Kreativen, Start-ups und etablierten Unternehmen, die sich gegenseitig befruchten und auch mal Platz parallel nutzen. Der effizientere Umgang mit Flächen ist ein großer Hebel, um die Mieten bezahlbar zu halten.

 

OH: Hat sich durch Corona und Homeoffice die Lage etwas entspannt?

ME: Die Mieten auf dem klassischen Büromarkt werden in den guten Lagen nicht sinken. Das liegt schon allein daran, dass die Qualität der Flächen stetig steigt. Aber Bürohäuser in B-Lagen haben es zunehmend schwer, große Mieter zu finden. Hier kann das MUCBOOK CLUBHAUS seine Rolle als Placemaker einbringen und aus einem Leerstand einen Creative-Hub machen, der aus sich heraus eine anziehende Wirkung entfaltet und mehr bietet als nur Büroräume.

 

OH: Also eine Mischung aus Café …

ME: ... und Workshop-Fläche, abends vielleicht kleine Vorträge und dazu noch ein Pop-up-Store eines lokalen Labels, also Raum für Überraschungen und Impulse. Das ist Co-Creation, wie wir es gerade im CANDY in Giesing machen: morgens Yogastudio, tagsüber Co-Working, abends Events im Club und am Wochenende noch Ausstellungen und Debatten, sozusagen ein Stadtteiltreff 2.0. Dafür braucht es aber Gebäude, die viel flexibler sind und Nutzungen nicht in getrennte Räume unterteilen, sondern mischen. Hier stoßen wir an die Realitäten des Baugesetzbuchs.

 

OH: Immobilien werden immer noch recht einseitig entwickelt.

ME: Das wird sich ändern, Gebäude werden künftig ganz anders belebt, kuratiert und bespielt werden. Auch Büroimmobilien werden keine toten Klötze mehr sein, sondern attraktive Orte. Mitarbeiter:innen wünschen sich einen Raum, in dem Dinge passieren, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Diese Dritten Orte liegen im Erdgeschoss und sie werden parallel genutzt.

 

OH: Macht da das Planungsrecht mit? 

ME: Alle wollen absolute Planungssicherheit, insbesondere natürlich Eigentümer:innen von Immobilien. Auf der anderen Seite stehen rund 3500 DIN-Normen. Einfach unfassbar, dass noch immer jedes Jahr weitere hinzukommen. Im Grunde brauchen wir mehr Mut. Ohne Mut kein Wachstum. Und das muss ja nicht jetzt im klassischen Sinne von „weiter, höher, schneller“ sein, sondern ich denke eher an Wachstum, das aus Netzwerken und Symbiosen besteht.

 

OH: Ist München nicht ein denkbar schlechter Ort für Experimente?

ME: Im Gegenteil: München ist ideal, um Neues zu wagen. Hier stimmt die Mentalität und es gibt viele Macher:innen. Die Münchner Biergartenkultur ist eigentlich ein Sinnbild dafür, wie unterschiedlichste Milieus gemeinsam eine gute Zeit haben. Das lässt sich übertragen auf andere Themen, auf die Transformationen von Städten, auf Geschäftsmodelle und alles, wo Menschen aus ihrer Schublade springen müssen. München ist da vorurteilsfreier als Berlin oder Hamburg, wo die Städte viel konfrontativer aufgebaut sind. „Leben und leben lassen“ – dieser Geist gefällt mir in München besonders gut.