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DIE BESTEN ALTRUISTEN WAREN VORHER EGOISTEN

DIE BESTEN ALTRUISTEN WAREN VORHER EGOISTEN

Ein Gespräch mit Florian Kohler, Geschäftsführer der PAPIERFABRIK GMUND

Ein Ort wie aus dem Bilderbuch, dieses Gmund am Tegernsee. Eingesäumt von Bäumen liegt am Ortsrand die gleichnamige Papierfabrik. Auf der einen Seite die Mangfall, auf der anderen ein Gebirgsbach. Wenn Florian Kohler sein Unternehmen mit dem gallischen Dorf mit seinen berühmten Protagonisten Asterix und Obelix vergleicht, meint er jedoch weniger die idyllische Lage, sondern spielt gleichermaßen stolz wie amüsiert darauf an, dass es seinem Unternehmen immer wieder gelingt, den Branchenriesen der Papierindustrie ein Schnippchen zu schlagen. Zum Beispiel, wenn er den Auftrag für die Herstellung von Umschlagpapier und Vorsatz von Barack Obamas neuem Buch an Land zieht – und zwar auch für den amerikanischen Markt, was in der Branche durchaus eine Sensation ist. »Wir haben einfach den Anspruch, das beste Papier der Welt zu machen, schöner, qualitativ hochwertiger und auf jeden Fall umweltfreundlicher «, erklärt er selbstbewusst sein Erfolgsrezept, nur um sich selbst auch gleich wieder ins Wort zu fallen: »Nein, ich kokettiere jetzt. Tatsächlich glaube ich, unser Erfolg beruht zu neunzig Prozent auf diesem spießigen Wort: Fleiß.« Und natürlich auf einer ansteckenden Begeisterung für nachhaltige Papierherstellung. Spürbar wird das bei der Führung durch den Betrieb. Kohler kennt jede Maschine und jeden Arbeitsvorgang bis ins kleinste Detail – mit seinen Mitarbeiter·innen spricht er auf Augenhöhe. Eine Wertschätzung, die auch zum Erfolg des Unternehmens beiträgt. »Wir haben hier wirklich ganz tolle Kolleginnen und Kollegen«, schwärmt er, »die alle an einem Strang ziehen, sonst wären wir nicht da, wo wir sind.«

Gelebte Nachhaltigkeit

Wie zentral nachhaltige Innovation für das Unternehmen trotz seiner traditionsreichen Geschichte ist, wird auch beim Besuch des werkseigenen Restaurants sichtbar, wenn die überraschten Besucher das Gefühl haben, eher in einem schicken Berliner Szene-Restaurant zu sitzen als unweit vom Tegernsee im reichen Oberbayern. Mangfallblau heißt das Restaurant dann auch treffend – und es ist das einzige vegane Restaurant der ganzen Region. Mittlerweile wird es gerne auch für Vorstandsklausuren von großen und kleinen Unternehmen gebucht. »Tradition ist etwas Schönes«, sagt Kohler, »aber unternehmerisch zugleich hochgradig gefährlich. Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren. Was ist wichtiger? Der Rückspiegel oder die Windschutzscheibe? Natürlich die Windschutzscheibe, der Blick nach vorne – in die Zukunft!«

Ein Unternehmen müsse ständig auch so etwas wie ein Start-up sein, nur dann könne es sich weiterentwickeln und auf dem Markt bestehen, ist Kohlers Devise. Und das zahlt sich aus – nicht nur in barer Münze. So wurde die Papierfabrik Gmund 2021 mit dem begehrten Deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnet. Hanf ist dabei das Zauberwort, mit dem Kohler und seine Mitarbeiter·innen ein neues Kapitel der nachhaltigen Papierherstellung aufgeschlagen haben. »Jeder weiß natürlich um die Qualitäten von Hanf«, erklärt Kohler. »Und nicht nur, weil man dabei gerne mal in die lustige Raucherecke gesteckt wird. Hanf hat eine ungeheuer feste Faser, die Pflanze kann ohne Pestizide aufwachsen und das Papier kann öfter recycelt werden. Ein perfektes Material. Ich bin ohnehin der tiefen Überzeugung, dass Papier das umweltfreundlichste Massenprodukt der Welt ist. Aber man kann immer noch mehr machen.«

In Gmund werden heute bereits 75 % des Energiebedarfs durch selbst erzeugten Strom aus erneuerbaren und emissionsfreien Quellen gedeckt.

Wenn Papier Design wird

Doch nicht nur, wenn es um Nachhaltigkeit geht, setzt man Maßstäbe – auch in der Papierentwicklung sind die Gmunder erfinderisch. So entstand etwa anlässlich des 100. Geburtstags des Bauhauses 2019 auch das Gmund Bauhaus Dessau. »Über eine Agentur kam seinerzeit das Bauhaus mit der Idee auf uns zu, dieses Papier zu entwickeln, und wir fanden das sofort spannend «, erzählt Kohler begeistert. »Wir haben uns dann damit beschäftigt, was das geistige Design-Setting damals war und wie wir das in die Gegenwart übertragen können. Wir haben uns für drei sehr reine Farben entschieden: ein neutrales Weiß, denn das Bauhaus wird trotz aller Buntheit ja auch mit monochromer Farbgebung in Verbindung gebracht. Dann ein etwas ruppigeres Weiß, immer noch neutral, aber etwas wärmer, das Bilder beim Druck perfekt rüberbringt.« Und schließlich ist noch ein Schwarz als dritte Variante entstanden. Dabei haben Kohler und sein Team versucht, DAS Schwarz herzustellen, ohne bläuliche, rötliche oder grüne Farbanteile, wie es sonst bei schwarzen Papieren üblich ist. Denn auch dieses Schwarz ist aus der Idee der Neutralität und des Monochromen heraus entstanden, um einer zeitgemäßen Interpretation des Bauhaus- Gedankens möglichst nahezukommen. Eine Arbeitstiefe, die sich auszahlt.

Das Gmund Business

Florian Kohler wäre mit seinem Unternehmen nicht so erfolgreich am Markt, hätte er bei allem Anspruch an Nachhaltigkeit und herausragendes Design nicht auch ein besonderes Gespür fürs Geschäftliche. So konnte er sich die Marke Gmund Bauhaus Dessau schützen lassen, die nun für eines der Leuchtturmprojekte des Hauses steht. »Ein ganz tolles Produkt«, erzählt Kohler, »und dabei noch nicht einmal teuer. Viele Designer·innen verkennen, dass wir unsere Papiere natürlich insbesondere auch für Industriekunden machen. Und deswegen geht es uns auch stark um die Anwendung, vom Buch bis zur Verpackung, und es geht darum, dabei ästhetische und umweltfreundliche Produkte herzustellen.« Greenwashing ist Kohler dementsprechend ebenso verhasst wie jegliche Form von Gutmenschentum. »Ich bin überzeugter Atheist und ich bin überzeugter Kapitalist«, sagt er von sich selbst. »Ich bin kantig und ich mag vorgespielten Altruismus nicht. Die besten Altruisten, das waren vorher große Egoisten.«

Florian Kohler

Florian Kohler, papier- und designbegeisterter Naturliebhaber und Hobbyradsportler, der gerne auch mal ganze Länder mit dem Fahrrad durchquert, wurde 1962 in Tegernsee geboren. An sein Informatik- und Marketingstudium schlossen sich Auslandsaufenthalte in Paris bei den Papeteries de Montévrain und im englischen Basingstoke bei Wiggins Teape Paper an. 1984 stieg er bei Gmund Papier ein und wurde drei Jahre später Mitglied der Geschäftsleitung. 1995 wurde Florian Kohler Geschäftsführer und Teilhaber des Unternehmens, 2004 schließlich alleiniger Geschäftsführer.

Papierfabrik Gmund

1829 gegründet, genießt die Papierfabrik Gmund heute international den Ruf, einer der innovativsten Papierhersteller überhaupt zu sein – und das nicht nur, wenn es um Nachhaltigkeit und technische Innovation geht. Auch das Papierdesign spielt in dem Unternehmen eine zentrale Rolle. Konsequenterweise lobt das Unternehmen auch den Gmund Award für Anwendungen ihrer Produkte aus, die sowohl ökologisch als auch ästhetisch herausragend sind. In der hauseigenen Gmund Retail-Service Division bieten Florian Kohler und seine Mitarbeiter·innen ihren Kunden zudem Beratung und Anwendungen von der Tragetasche bis zur Verpackung an. Unter Florian Kohlers Ägide hat die Papierfabrik Gmund heute auch eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung besonders nachhaltiger Produkte inne. Ein Engagement, das sich auszahlt. So wurde das Unternehmen für ihr innovatives Hanfpapier mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 ausgezeichnet.

Mehr Informationen zur Papierfabrik Gmund unter gmund.com

Das Gespräch mit Florian Kohler erschien erstmals im mcbw MAG im Rahmen der mcbw 2022.