RAUS AUF DIE
Transformation sei ein Prozess, sagt Dominik Ueblacker. „Da kann man nicht einfach einen Schalter umlegen.“ Der 37-Jährige ist Senior Manager im „Experience Consulting Team“ bei PwC Deutschland, gewissermaßen der Produktinnovationsabteilung des Branchenriesen, der sonst nur Wirtschaftsprüfer:innen, Steuerberater:innen und Unternehmensberater:innen beschäftigt. Nachhaltigkeit ist die Achse, um die sich alles bei den weltweit 850 Designer:innen und Technolog:innen der PwC Experience Consulting Teams dreht. In München arbeiten zwei Dutzend Teammitglieder.
Dazu hat sich das Team verstärkt, beispielsweise mit einer Circular-Economy-Expertin, die ein eigenes Startup zur Plastik Vermeidung gegründet hat. Neben Konzepten und digitalen Prozessen entsteht durchaus auch Handgreifliches. Im Keller gibt es ein eigenes Prototyping Lab. „Wir sind hands on und bringen auch gerne physische Ideen auf den Weg.“
„Wir wollen nicht nur neue Produkte und Services gestalten, sondern mit deren Hilfe die Situation auf unserem Planeten verbessern."
Wandel ist das Thema. Mobility, Health und Retail heißen die Industrie-Schwerpunkte. Mit einem deutschen Automobilhersteller arbeitet das Team an neuen Vertriebsmodellen, was einem Kulturwandel für die Firma und ihre Händler gleichkommt. Was bieten sie an, wenn die Kund:innen gleich direkt online kaufen? Welche Services, welche Möglichkeiten ergeben sich?
Alle Touchpoints werden digitalisiert. Wie sich das anfühlt, testet gerade das Team von Experience Consulting. „Wir führen Interviews, bauen Prototypen und wenn das gut funktioniert, setzen wir große Entwicklerteams daran.“ Davor steht noch viel Recherche. Für einen Kun-
den testen sie Autobahn nahe Services, gehen direkt zu den Nutzer:innen auf die Straße. Mit Lastwagenfahrer:innen haben sie Dutzende Interviews geführt, auf Polnisch, Rumänisch und Ukrainisch. Sie wollten verstehen, wie es draußen zugeht, und erfuhren, dass sich die Fahrer:innen oft nicht den einen Euro für die Toilette leisten können, weil sie den Betrag selber aufbringen müssen. Ein Zufallsfund? Ganz im Gegenteil, sagt Ueblacker. „Wir gehen immer zu denjenigen, die es betrifft, und fragen: Wer genau ist denn unsere Zielgruppe und was hat sie für Herausforderungen? Und was wollen sie mitten im Wandel?“
Mehr als die kreative Spielwiese einer großen Unternehmensberatung: Die „PwC Experience Consulting Teams“ verleihen Ideen Gestalt.
Was Wandel bedeutet, hat die Innovations- und Designagentur 2020 selbst erfahren. Das frühere IXDS war laut eigener Aussage „Deutschlands führendes Innovationsstudio“ und auf einmal ein Übernahmekandidat. IXDS ging in der Unternehmensberatung PwC auf. Ein Kulturschock für viele Kreative. „Du musst dir vorstellen: eine Designagentur, die in ein Unternehmen mit über 13.000 Angestellten reinkommt, das war schon nicht ganz einfach“, erinnert sich Dominik Ueblacker. Einige gingen, weil die Transformation nichts für sie war. Andere wollten sich ohnehin verändern. Prozesse, Routinen, Abläufe – alles wurde angepasst. "Heute, nach fast drei Jahren, sind wir angekommen“, sagt Ueblacker, „als eigenes Team namens Experience Consulting.“ Die Mitarbeiter:innen im Münchner Experience Center, eines von weltweit 40, wollen an großen Rädern drehen. Der Riese PwC wirkt wie ein „Türöffner zu spannenden Themen und Projekten“, erklärt Ueblacker: „PwC ist mittendrin. Gerade Seniors finden diese Kombi aus Agenturumfeld und Beratern spannend.“
Das Ziel: Eingefahrenes Denken zu erkennen und Gewohnheiten aufzubrechen.
Gleich ob Verkehrswende, Public Transport oder Gesundheit: Deutschland ist im Wandel. Daher die Feldforschung. Sein Team wolle nicht nur auf eine Person schauen, sondern gleich auf das ganze Ökosystem, erklärt der studierte Politikwissenschaftler. Das Ziel: eingefahrenes Denken zu erkennen und Gewohnheiten aufzubrechen. Das beginnt im Studio selbst: „Ich habe angefangen, morgens das Teamgespräch beim Spazierengehen zu führen. Einfach telefonieren, währenddessen ich meiner mentalen Gesundheit etwas Gutes tue.“ Ueblacker lebt auf dem Land mit seinen zwei Hunden und hat sich 2022 ein halbes Jahr Auszeit gegönnt. Dazu zitiert er den amerikanischen Wirtschaftswissenschaftler und Organisationsexperten Warren Bennis:
„Es gibt zwei Möglichkeiten, kreativ zu sein. Man kann singen und tanzen. Oder man kann ein Umfeld schaffen, in dem Sänger und Tänzer aufblühen.“
Ueblacker fühlte sich sein ganzes Berufsleben als der zweite Typ und beschloss, „aufzutanken und neu zu starten“. Ein ziemlich gutes Bild für die große Transformation, in der wir gerade stecken.
Das Interview mit Dominik Ueblacker erschien erstmals im mcbw mag 2023.