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OUT OF <br>THE BOX

OUT OF
THE BOX

Unterwegs mit STEFANIE KUBANEK

Design, das ist für Stefanie Kubanek nicht die attraktive Oberfläche, nicht das »Icing on the Cake«. Der Designbegriff, dieser Wanderin zwischen zwei Wirklichkeiten, der Deutschen und der US-amerikanischen, geht viel tiefer – und sie vertritt ihn mit einer großen Portion Enthusiasmus und Begeisterung für neue Denkansätze. Design fragt für sie nach dem Warum, geht Dingen auf den Grund, verändert Denkweisen und Prozesse. Deswegen zieht sie auch den Begriff Gestaltung vor, wenn sie von ihrem kreativen Kosmos erzählt und von der Notwendigkeit und Herausforderung, kreative Gestaltungsprinzipien und -methoden gerade auch Menschen zu vermitteln, die aus traditionell wenig designaffinen Bereichen kommen. In ihren Kursen versammeln sich Betriebswirtschaftler*innen, Marketing-Expert*innen oder Menschen, die im Gesundheitswesen und im medizinischen Bereich tätig sind. Gestandene Profis gleichermaßen wie Studierende und das aus verschiedensten Ländern und Kulturkreisen.

»Gestaltung braucht Business, aber umgekehrt braucht Business auch Gestaltung. Irgendwann kommen beide Seiten auf jeden Fall zusammen, also warum nicht schon in der Lehre?«

Das ist die Grundfrage, aus der heraus Kubanek ihr Unterrichtsmodell entwickelt hat. Und das praktiziert sie mit viel Einfühlungsvermögen, dem Gespür für das richtige Maß an produktiver Irritation und einer riesigen Portion Leidenschaft. »Es ist mir irrsinnig wichtig«, erzählt sie, »aus alten Konzepten und Strukturen auszubrechen, sich zu öffnen und in alle möglichen Richtungen zu schauen – dann aber die Dinge auch wieder neu zu sortieren.« Ein Kernbegriff ist für sie dabei das sogenannte »Lateral Thinking«, das der britische Mediziner, Kognitionswissenschaftler und Autor, Edward de Bono schon Ende der 60er-Jahre als ideale Methode beschrieben hat, dem »vertikalen Denken«, das sich streng systematisch von Schritt zu Schritt bewegt, scheinbar chaotische, diskontinuierlich-sprunghafte Gedankenbewegungen entgegenzusetzen. Sich gewissermaßen zu entregeln, um darüber neue Perspektiven auf eine Fragestellung oder ein Problem zu eröffnen.

Auf eine kurze Formel gebracht, ist vertikales Denken eher systematisch-rational und laterales Denken eher intuitiv-emotional. »Laterales Denken«, schreibt de Bono, »ist jedoch kein Ersatz für vertikales Denken. Beides wird gebraucht (…). Beide ergänzen einander.« Und genau das strebt Kubanek in ihrem Unterricht an. Laterales Denken erfolgreich zu praktizieren bedeutet aber auch, Fehler machen zu dürfen, und genau da sieht Kubanek eine der großen Schwachstellen unseres derzeitigen Bildungssystems:
»Da ist alles auf das Ergebnis fixiert und viel zu wenig auf den Prozess.

Deswegen gibt es hier auch keine Fehlerkultur und viel zu wenig Kreativität.« Die andere Säule, auf der Kubaneks erfolgreiches Unterrichtsmodell beruht, lässt sich als das unbedingte Bekenntnis zum Teamwork bezeichnen. »Bei mir müssen immer alle im Team arbeiten. Da bist du schon mal nicht allein und musst dich auf andere einstellen. Und dann habe ich ja Studierende aus Indien, Asien, Europa, den USA und Afrika. Da kommen also viele unterschiedliche kulturelle Perspektiven zusammen, und genau da hole ich sie auch ab, denn im Team müssen sie sich eben auf diese verschiedenen kulturellen Perspektiven einlassen. Da gibt es zum Beispiel jemanden, der hat Computer Science gemacht oder Accounting oder war im Bereich Venture Capital oder Marketing tätig. Und auf einmal müssen die alle zusammenarbeiten und sozusagen out of the box neue Ideen entwickeln.« Das erfordert aber nicht nur eine hohe Fehlertoleranz, sondern auch den Mut, sich zu öffnen. Dafür bedarf es eines geschützten Raumes – und genau den bietet Stefanie Kubanek ihren Studierenden. »Man weiß ja nicht, wo die Reise hingeht, und das schafft Verunsicherungen, aber … na und? Es geht um den Mut zum organisierten Chaos, den ich zu vermitteln versuche.« Mehr davon auch hierzulande wäre durchaus wünschenswert. Unterrichtsmodelle wie das von Stefanie Kubanek könnten dazu beitragen, dem an vielen Stellen rückständigen Bildungssystem Deutschlands ein wenig mehr Zukunftsfähigkeit einzuhauchen. [um]

Stefanie Kubanek ist in Boston geboren und in Deutschland aufgewachsen. Nach einer Goldschmiedausbildung hat sie erst in Hamburg und dann am Londoner Royal College of Art Industriedesign studiert und mit einem Master abgeschlossen. Anschließend war sie unter anderem für 1:1 und Pier Studio (BMW Group) wie auch als Associate Partner bikontinental für Pentagram in London und New York tätig. Die Summe ihrer Erfahrungen hat sie mittlerweile in ihrem Studio KubanekDesign+ gebündelt.

Schon sehr früh hat sie begonnen, Industriedesign und Designmanagement zu unterrichten, unter anderem an der Parsons New School for Design sowie am Pratt Institute der Columbia University und der Freien Universität für Kunst und Design in Bozen. Derzeit ist sie Senior Lecturer an der Cornell University in New York.

Das Gespräch mit Stefanie Kubanek erschien erstmals auf Seite 111/112  mcbw Creative Book im Rahmen der mcbw 2021.