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EIN EIGENES SONNENSYSTEM

Die Botschaften von Eike König sind plakativ, laut, unübersehbar. Schon in den 90er Jahren gründet der Grafikdesigner das Kreativkollektiv HORT, das große Erfolge für Kunden wie die Stiftung Bauhaus Dessau, Nike oder Microsoft feiert. Von den zwei großen aktuellen Projekten wurde eines gerade in Paris realisiert. König lehrt außerdem an der HfG Offenbach.

Welche Kraft hat dich ins Feld der freien Kunst getrieben?

Ein Praxisstipendium 2013 in der Villa Massimo, Rom. Peter Zizka hatte mich vorgeschlagen, und so war ich einer der Ersten für angewandtes Grafikdesign, die für einen längeren Zeitraum das Atelier mit der Nummer 1 bespielen durften. Um wieder analog zu arbeiten, wie ich auch vor über 30 Jahren ausgebildet wurde, habe ich mir dort eine Art Hand-Druckerei für Originale aufgebaut. Handgeschnittene Lettern aus Moosgummi fungierten als Druckstempel. Ein selbstauferlegtes Regelwerk – eine Papier- und Schriftgröße, die Helvetica als Container für meine durch den Druck verkörperlichten Aussagen oder Gedanken – sollten den Fokus durch die Reduktion der Möglichkeiten schärfen, um die Grenzen des Systems zu erforschen. Der Inhalt selbst untersuchte Sprache in ihrem Kontext und ihre Deutungsräume. Je länger ich mich damit beschäftigte, desto größer wurden die Möglichkeiten. Was anfänglich als Begrenzung gedacht war, entpuppte sich als ein eigenes Sonnensystem, an dessen Rändern immer weitere Sonnensysteme anschließen. Und da ich ein neugieriger Mensch bin, der immer neue Potenziale austesten möchte, habe ich den Entschluss gefasst, einen Großteil meiner Energie zu investieren, um meine künstlerische  Praxis zu forcieren und mich gleichzeitig auf dem mir unbekannten Kunstmarkt zu positionieren.

Typografie und Pop-Art sind Kennzeichen deines künstlerischen Ausdrucks. Wo ziehst du selbst die Grenze zwischen Kunst und Design? Spielt diese Grenze überhaupt eine Rolle für dich?

Für mich ist meine künstlerische Praxis eine nachvollziehbare Weiterentwicklung der angewandten. Als Grafikdesigner habe ich visuelle Kommunikationssysteme für die Bedürfnisse meiner Kund*innen entwickelt. Typografie funktionierte immer als Fundament meiner gestalterischen Arbeit. Die Sprache von Marken, seien sie Konsumgüter oder Kulturgut, sind Teil unseres Sprachkanons und dienen der Verbalisierung eines Versprechens. Ein für mich spannendes Forschungsfeld.

Die Grenze zwischen Kunst und Design ist natürlich auch eine konstruierte. Und wie ihr euch vorstellen könnt, bin ich eher ein schmunzelnder Kritiker dieses Konstrukts. Ich kann es aber auch aus Vermarktungsgründen verstehen. Die unterschiedlichen ‚Disziplinen‘ befruchten sich doch stetig gegenseitig, schon damit der DNA-Pool nicht verkümmert. Kunst erzeugt ja Kultur und bewegt, wie ein Motor, eine Gesellschaft. In diesem Sinne finde ich den Einfluss von Design auf unsere Gesellschaft, seine permanente Präsenz im Alltäglichen, unser stetiges Interagieren damit, viel größer als den von Kunst mit ihrer künstlichen Erhöhung. Es wird also Zeit, das anzuerkennen und bitte mit denselben Mitteln zu fördern. Damit meine ich Unterstützung für die Design-Forschung, die Aufnahme in das heilige Feuilleton sowie museale Räume zum Ausstellen. Just kidding – aber warum eigentlich nicht?

In meiner Praxis spielt die Grenze also keine Rolle, obwohl ich sie stetig zu spüren bekomme. Ich arbeite angewandt und frei, wobei ich das Freie bevorzuge, wo ich alle Parameter meines Schaffens selbst bestimme.

Eine deiner neueren Arbeiten heißt »The New Normal Times«. Wie würdest du das »Neue« beschreiben? Welche Chance siehst du im Neuen?

So NEU ist die Arbeit ja gar nicht. Die New York Times hatte mich im März 2020, zu Beginn der Pandemie, gefragt, ob ich für ihre damals neue Rubrik ART IN ISOLATION eine künstlerische Arbeit entwickeln würde. Zu der Zeit gab es in der TNYT schon Essays zum Thema THE NEW NORMAL, ich hatte mich damit schon beschäftigt. Und so war die Überlegung, mit dem Originalschriftzug der Zeitung und den darin enthaltenen Buchstaben THE NEW NORMAL TIMES zu setzen, naheliegend. So einfach, aber gerade deshalb so stark. Bei den fehlenden Buchstaben A und L habe ich, ich nenne mich jetzt mal Amateurprofi, einfach getrickst. Ein kleines e umgedreht wird zu a, und wenn man vom k die abgehenden Diagonalen wegschneidet, bekommt man ein l. Here we go.

Ein NORMAL gibt es ja nicht. Es ist eine Konstruktion, die je nach Kontext variieren kann. Für mich ist der Begriff sehr negativ konnotiert, da er nicht inkludiert, sondern zu trennen versucht. Was normal ist, wird nicht gemeinschaftlich bestimmt, sondern von jener Gruppe, die sich von normal an nach oben positioniert. Diejenigen, die sozusagen die Macht dazu haben. Betrachten wir unseren Alltag, seine Abläufe, Inhalte, Routinen etc. als ‚normal‘, dann ist so eine globale Krise natürlich schon ein Erdbeben mit starken Verschiebungen. Genau darin liegt die Möglichkeiten, die einzelnen Elemente zu reflektieren und neu zu verhandeln. Der persönliche, aber auch der gesellschaftliche Kompass kann neu justiert und ein neues (besseres?) ‚normal‘ etabliert werden. Ob das wirklich passiert ist, werden wir in ein paar Jahren feststellen.

Das Gespräch mit Eike König erschien erstmals im mcbw MAG im Rahmen der mcbw 2022.